Offener Brief an den Erzbischof von Köln - wie kam es dazu?

Die Vorkommnisse im Erzbistum Köln rund um die Aufklärung der Missbrauchsfälle sowie die erschütternde Kommunikation und Berichterstattung sind unterträglich. Auch in den Gremien unseres Sendungsraums haben wir dies auf Initiative unseres Mitglieds Michael Beyer darüber diskutiert, Meinungen ausgetauscht und Sorgen geteilt. 

Schnell entwickelte sich der Wunsch in einem offenen Brief die für uns wichtigen Punkte zu thematisieren mit der Zielsetzung darüber in vertiefende Gespräche und den Austausch einzusteigen. Insbesondere mit den ebenso verunsicherten Mitgliedern unserer Gemeinde, die uns ins einzelnen Gesprächen schon Wut, Ratlosigkeit und Enttäuschung gespiegelt haben. 

Bitte schreiben Sie uns Kommentare, Ihre persönliche Meinung zu den Themen und Wünsche an pgr@stjohannes-troisdorf.de oder postalisch an das Pfarrbüro, addressiert an den Pfarrgemeinderat. Wir freuen uns über alle Einsendungen. 

 

Den Brief können Sie als PDF über den folgenden Button herunterladen.

Offener Brief (c) Pixabay

Offener Brief an unseren Kardinal Rainer Maria Woelki

Sehr geehrter Herr Kardinal Woelki,

in den letzten Wochen und Monaten wurden wir als ehrenamtliche Mitarbeiter im Pfarrgemeinderat und anderen Gremien unseres Seelsorgebereichs immer wieder mit den Vorwürfen gegenüber der katholischen Kirche und dem Erzbistum Köln konfrontiert. Der Umgang mit der Missbrauchsstudie und hier insbesondere der Umgang mit den Opfern sexualisierter Gewalt erschüttern uns und die Mitglieder unserer Gemeinden. Daher schreiben wir Ihnen als unserem Bischof diesen offenen Brief.

Die Kommunikation ist unwürdig für die Opfer

Die Bewertung eines Juristen darf in der Kommunikation nicht im Vordergrund stehen. Das Erzbistum Köln hat den 189 bekannten Opfern sexualisierter Gewalt eine bedingungslose Aufklärung und damit vielleicht auch ein Stück Wiedergutmachung versprochen. Was wir nun erleben, ist, dass dieses Versprechen nicht eingehalten wird. Mag die Begründung für die Nicht-Veröffentlichung des Münchener Gutachtens aus juristischer Sicht richtig sein, so wirkt sie aus menschlicher Sicht unverständlich, bevormundend und hinhaltend. Auch ist die Begründung dieser Entscheidung nicht nachvollziehbar und hat für Verwirrung gesorgt. Die Opfer können sich nicht selbst ein Bild des vermeintlich schlechten Gutachtens machen, sondern müssen auf die Veröffentlichung des neuen und juristisch hoffentlich korrekten und besseren Gutachtens warten. Dies ist unwürdig den Opfern gegenüber und zerstört das Vertrauen in die Zielsetzung der Aufklärung.

Die Opfer und die bedingungslose Aufklärung der Vorwürfe müssen im Vordergrund stehen

Es scheint so, als würde es im Rahmen der Aufklärung nur noch um prozessuale Korrektheit gehen. Es geht nicht mehr um das Leid, das den Opfern sexualisierter Gewalt angetan wurde, nicht mehr um die tiefe Verwurzelung der Verfehlungen unserer Kirche in allen Hierarchiestufen im Erzbistum und den einzelnen Gemeinden. Das weckt den Eindruck, dass es nur noch darum geht, sich möglichst gut auf eventuell anstehende juristische Verfahren einzustellen. Ist das der Fokus der Aufklärung? Ist es das, was den Opfern versprochen wurde? Nein. Ihnen wurde bedingungslose, zeitnahe Aufklärung aller 189 gemeldeten Fälle versprochen. Dies fordern auch die Kirchen- und Gemeindemitglieder und das muss die Devise sein.
Persönliche Verbundenheit und hohes Alter mutmaßlicher oder erwiesener Täter dürfen nicht dazu führen, diese zu schonen. Das ist weder juristisch korrekt noch nimmt es die Taten ernst. Ermutigt es nicht sogar andere dazu, in ihrem kriminellen Tun weiterzumachen?
Kinderschutz / Opferschutz ist eine Kernaufgabe der Kirche
„Seht auf das Kind!” heißt es rund um Weihnachten immer wieder. Für Jesus waren die Kinder ein Beispiel für einen Glauben, der sich ganz auf Gott verlässt und nicht auf das eigene Vermögen und Können, für einen Glauben, der nicht auf Macht setzt. In diesem Sinne sind auch in unseren Gemeinden Kinder im Fokus der Seelsorge – und für uns und viele Gemeindemitglieder ist es unvorstellbar, sie zu brechen und ihr Leben durch Gewalt jeglicher Art zu zerstören.
Mit großem Unverständnis und Entsetzen reagieren die Mitglieder unserer Gemeinde daher darauf, dass die scheinbare Unbescholtenheit der Kirche zu Lasten der Opfer, meist Kinder, verteidigt wird. Offenbar geht Kirchenschutz vor Kinderschutz – zwar nicht in offiziellen Verlautbarungen und Stellungnahmen der Kirche, aber in ihrem Tun, wenn eben nicht klar benannt wird, wer die Täter sind. Die Opfer werden nicht ernst genommen – sie werden vielmehr erneut beschädigt und ziehen sich verletzt, wütend und resigniert zurück.

Das Vertrauen ist erschüttert, die Gemeindemitglieder sind verunsichert

In Ihrer Entschuldigung während der Christmette sprechen Sie, Herr Kardinal, an, dass bis in die Gemeinden hinein die Vorwürfe getragen werden. Als ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch als Mitglieder des Seelsorgeteams erfahren wir dies nahezu täglich. Das Vertrauen auch in uns als Mitglieder dieser Kirche schwindet, auch unter Christinnen und Christen im Kern der Gemeinde. Uns fehlen die Worte angesichts des Verhaltens derer, die Verantwortung tragen und dieser nicht gerecht werden. Unsere Gemeinden sind nicht auf Paragraphen errichtet, sondern auf dem Glauben, auf dem Vertrauen in die Liebe des menschenfreundlichen Gottes – das ist die Botschaft Jesu.
Den Umgang mit persönlicher Schuld lernen schon die Erstkommunionkinder in der Vorbereitung, dann sollten wir alle mit gutem Beispiel vorangehen und nicht eine Schuldverschiebung von uns selbst zu unseren Kritikern vornehmen.
Wir haben in allen Bereichen um Schutzkonzepte und eine hervorragende Präventionsarbeit gerungen. Wir haben uns sensibel gemacht für die Gefährdung durch sexualisierte Gewalt und erfahren nun, dass der Ruf einzelner Seelsorger, die zu Tätern geworden sind, offenbar wesentlich mehr zählt als das Wohl der uns und Ihnen Anvertrauten.

Bleibende Aufgabe des Erzbistums: eine vertrauensvolle Seelsorge ermöglichen

Das Vertrauen ist erschüttert. So haben wir es in diesem Schreiben schon dargestellt. Und einmal verloren, kommt Vertrauen nicht so schnell wieder zurück. Fehlgeleitete Entschuldigungen und immer wieder neue, erschütternde Berichte von Missbrauchsfällen bauen das Vertrauen nicht auf, sondern zerstören es immer weiter.
In Anbetracht der anstehenden Herausforderungen für die katholische Kirche im Erzbistum Köln ist dies für uns alle schmerzhaft und nahezu unerträglich. Durch den pastoralen Zukunftsweg, auf dem wir uns bereits befinden, wird vermehrt das Engagement von Laien gefordert. In Zeiten, in denen man wegen steigender Kirchenaustrittszahlen Vertrauen in die Kirche aufbauen muss, geht genau dieses verloren.

Sehr geehrter Herr Kardinal,
Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz können Vertrauen wieder wachsen lassen. Bitte unterstützen Sie mit aller Kraft dieses Ziel.

Wenn Sie unser Anliegen unterstützen und als Unterzeichner dieses offenen Briefes genannt werden wollen, dann schreiben Sie uns!

pgr@stjohannes-troisdorf.de